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Protist of the year

2007 Paramecium

Endo- und Exocytose: Membrandynamik in Paramecium

Plattner H., Universität Konstanz

Paramecium tetraurelia ist ein sehr komplex organisierter Einzeller (Ciliat), dessen (makronukleäres) Genom soeben von einem europäischen Forscherkonsortium unter französischer Federführung mit deutscher Beteiligung sequenziert wurde (Aury et al. 2006, Nature 444:171-178). Mehrfache Duplikationen des Gesamtgenoms könnten eine der Voraussetzungen beispielsweise für die äusserst differenzierten Interaktionen von Membranvesikeln darstellen, wovon sich bei diesem Zelltyp leicht einige Dutzend ausmachen lassen. Beispiele sind die Komponenten des sekretorischen Apparates (namentlich die Exocytose von Trichocysten) und des unvergleichlich komplexen Phagocytose-Zyklus - mit seinen Verbindungen zu Endocytose-Abläufen und zum lysosomalen System sowie mit einem distikten Ort der Exocytose am Ende des Verdauungszyklus (Cytoproct) und Recycling-Vesikeln. Um die Spezifität der einzelnen Membraninteraktionen bei diesen komplexen biogenetischen Prozessen zu gewährleisten, braucht es u.a. jeweils komplexe Kombinationen spezifischer "SNARE"-Proteine, monomerer GTP-Bindeproteine ("G-Proteine", GTPasen), variabler Komponenten einer hetero-oligomeren H+-ATPase ("Protonenpumpe"') etc. Das europäische Genomprojekt bietet nun die Möglichkeit, die einmalige Vielfalt solcher Interaktionen und ihrer Steuerung molekular aufzuschlüsseln.

Einen sehr aktuellen Aspekt bietet auch die nahe Verwandtschaft zu Parasiten aus der Gruppe der Apicomplexa, wie Plasmodium und Toxoplasma (Erreger der Malaria bzw. der Toxoplasmose), welche mit den Ciliaten zu den Alvolata zusammengefasst werden. Es bleibt zu sehen, wieviel sich von der komplexen Calcium-Signalgebung (und der daran beteiligten Moleküle) von Paramecium auf die weniger leicht analysierbaren Parasiten übertragen lässt, bei denen Calcium-Signale die Penetration der Wirtszellen begleiten. Daneben finden sich bei Paramecium Beispiele zur Ausbildung neuer Funktionen duplizierter Gene ("Neofunktionalisation"), aber auch solche, bei denen Mutationen keinen Effekt auf die Translationsprodukte (Proteine) haben. Man kann an diesem Zelltyp buchstäblich der Evolution beim Spielen zuschauen…

Paramecium ist ein Einzeller. Paramecien sind auf der gesamten Zelloberfläche bewimpert. Die Zelle ist von der Zellmembran umgeben, die damit auch die Cilien (Wimpern) umgibt. Die Zellmembran ist Abgrenzung, aber auch Ort intensiver Kommunikation mit der Umgebung, das ist für Paramecium nicht anders als für andere Zellen. Viele zellbiologische Erkenntnisse wurden und werden an Paramecium gewonnen. Hier sei auf den Abschnitt 6 "Membrandynamik und Exocytose" verwiesen. Unter der Zellmembran liegen die Alveolen, flache Vesikel, wie sie sich in ähnlicher Form auch bei den anderen Alveolaten (dazu gehören neben den Ciliaten auch die Dinoflagellaten und die Apicomplexe) finden. Bei Paramecium sind die Alveolen von H. Plattner und seiner Arbeitsgruppe als Ca++-Speicher identifiziert worden. Die Cilienaxoneme, die parasomalen Säckchen und die Trichozystenspitzen reichen durch das Alveolen-Netz hindurch bis zur Zellmembran. Über den kontraktilen Vakuolen ist eine Lücke im Alveolen-System und auch im Bereich des Mundfeldes gibt es keine Alveolen.

Blockdiagramm des Zellcortex von Paramecium. Unter der Zellmembran und den Alveolen spannen sich Netze verschiedener Cytoskelett-Elemente, in die Organellen wie Cilien mit ihren Basalkörpern, Trichozysten, Mitochondrien eingebettet sind. kf - kinetodesmale Fibrillen; ps - parasomales Säckchen; tr - Trichozyste. (Aus Hausmann, Hülsmann & Radeck, Protistology, 2003)

Unter den Alveolen liegt ein Mikrotubuli-Netzwerk, in das die Basalkörper (Kinetosomen) der Cilien fest eingebunden sind. Weitere Strukturen des Cytoskeletts konnten insbesondere durch Immunmarkierung unter den Alveolen lokalisiert werden. Die Außenschicht der Zelle mit den Cytoskelett-Netzwerken und den dort eingebundenen Zellorganellen wie Trichozysten und Mitochondrien wird auch als Kortex bzw. als Pellicula bezeichnet.

Die erwähnten Trichozysten sind Verteidigungsorganellen, die auf mechanische oder chemische Reize hin exozytiert werden und sich strecken, also quasi abgeschossen werden. Diese Exozytose ist ein äußerst schneller Vorgang, bei dem sich die Proteine der Trichozysten gleichzeitig zu einem pfeilartigen Gebilde strecken. Exozytose und Streckvorgang werden durch Ca++--Ionen induziert. Näheres zur Struktur und zum Exozytosevorgang findet sich auf dieser Website unter Kapitel 6 "Membrandynamik und Exozytose" sowie im Buch "Protozoology" von Hausmann, Hülsmann & Radek (2003).

Unter den Alveolen liegt ein Mikrotubuli-Netzwerk, in das die Basalkörper (Kinetosomen) der Cilien fest eingebunden sind. Weitere Strukturen des Cytoskeletts konnten insbesondere durch Immunmarkierung unter den Alveolen lokalisiert werden. Die Außenschicht der Zelle mit den Cytoskelett-Netzwerken und den dort eingebundenen Zellorganellen wie Trichozysten und Mitochondrien wird auch als Kortex bzw. als Pellicula bezeichnet.

Die erwähnten Trichozysten sind Verteidigungsorganellen, die auf mechanische oder chemische Reize hin exozytiert werden und sich strecken, also quasi abgeschossen werden. Diese Exozytose ist ein äußerst schneller Vorgang, bei dem sich die Proteine der Trichozysten gleichzeitig zu einem pfeilartigen Gebilde strecken. Exozytose und Streckvorgang werden durch Ca++--Ionen induziert. Näheres zur Struktur und zum Exozytosevorgang findet sich auf dieser Website unter Kapitel 6 "Membrandynamik und Exozytose" sowie im Buch "Protozoology" von Hausmann, Hülsmann & Radek (2003).

Gequetschte Paramecium-Zelle im Phasenkontrast, fokussiert auf die Cortexebene über der kontraktilen Vakuole. Gut zu erkennen sind Cilien (C, am Rand) und Trichozysten (T, dunkel, flaschenförmig). Die kleinen, blasseren Strukturen sollten überwiegend Mitochondrien sein.

Dominierendes Zellorganell ist der große Zellkern, der Makronukleus. Weitere Kerne sind die Mikronuklei - bei einigen Paramecien nur einer, bei anderen zwei und bei einzelnen Arten mehr als zwei. Über die Funktion des Makronukleus lesen Sie im Abschnitt 5 "Fortpflanzung, Sexualität und Vererbung". Weitere Zellorganellen sind die bei Paramecium tubulären Mitochondrien, Peroxisomen und verschiedene Vesikel, aber auch die kontraktilen Vakuolen, die das im Süßwasser kontinuierlich in die Zelle strömende Wasser wieder hinaus pumpen. Weitere Details zur Paramecium-Zelle, zu den Zellorganellen, zur Physiologie der Zelle und zur Vererbung finden Sie in der angegebenen Literatur.

Die phylogenetische Position von Paramecium wird wie folgt gesehen

Stamm Alveolata, Unterstamm Ciliophora (mit den Schwester-Unterstämmen Dinozoa und Apicomplexa) gehört Paramecium zur Klasse Oligohymenophorea de Puytorac et al., 1974, Ordnung Peniculia Fauré-Fremiet in Corliss, 1956 (siehe Adl et al. 2005).

Mehr als 40 Arten der Gattung Paramecium wurden beschrieben, jedoch ist die Zahl der validen Arten geringer. Unlängst wurde vorgeschlagen - in Weiterführung der Vorschläge von Jankowski (1969) - die Gattung Paramecium auf der Basis morphometrischer, biologischer und molekularer Unterschiede (Abbildung) in vier Untergattungen zu unterteilen: Paramecium, Chloroparamecium, Helianter und Cypriostomum.

Gattung Paramecium Müller, 1773
Untergattung Paramecium Müller, 1773. Typus-Art: Paramecium (Paramecium) caudatum Ehrenberg, 1833 (Abbildung)

Weitere Arten:

P. aurelia-Komplex (Abbildung) 15 Arten
P. multimicronucleatum Powers & Mitchel, 1910
P. jenningsi Diller & Earl, 1958; P. wichtermani Mohammed & Nashed, 1968
P. africanum Dragesco, 1970
P. jankowskii Dragesco, 1972
P. ugandae Dragesco, 1972
P. schewiakoffi Fokin et al., 2001.

Untergattung Chloroparamecium Fokin et al., 2004.
Typus-Art: Paramecium (Chloroparamecium) bursaria Focke, 1836 (Abbildung).

Untergattung Helianter Jankowski, 1969.
Typus-Art: Paramecium (Helianter) putrinum Claparéde & Lachman, 1858.

Weitere Art:
P. duboscqui Chatton and Brachon, 1933 (Abbildung)

Untergattung Cypriostomum Fokin et al., 2004.
Typus-Art: Paramecium (Cypriostomum) calkinsi Woodruff, 1921.

Weitere Arten:
P. polycaryum Woodruff & Spencer, 1923 (Abbildung)
P. nephridiatum Gelei, 1925
P. woodruffi Wenrich, 1928
P. pseudotrichium Dragesco, 1970.

Im Augenblick können mindestens 17 Morphospezies in der Gattung erkannt werden. Dabei können neue Arten mit größerer Wahrscheinlichkeit in abgelegenen und daher weniger untersuchten Gebieten (Südamerika, Afrika, tropisches Asien) gefunden werden. Aus den letzten Jahren können eine weitere Morphospezies und zwei eher kryptisch beschriebene europäische Paramecium-Arten - hauptsächlich nach molekularen Daten - ergänzt werden (Fokin et al. 2006). Die geographische Verbreitung vieler Paramecium-Arten unterstützt nicht die Vorstellung, dass alle Ciliaten Kosmopoliten sind. Wegen einiger neuerer Funde ist zu erwarten, dass die Gattung Paramecium mehr Arten als bisher bekannt enthält. Ausserdem müssen auch die europäischen Varietäten erneut untersucht werden.

Für die meisten Morphospezies von Paramecium sind genetische Arten nicht definiert (siehe die Übersichtsartikel von D. Nyberg, Y. Tsukii and W.G. Landis in Görtz, H.D. [ed] 1988). Klar ist die Situation für den P. aurelia-Artenkomplex. Sonneborn hat 16 Varietäten (früher als Syngens bezeichnet) im P.aurelia - P. multimicronucleatum-Artenkomplex beschrieben. Nachdem die Syngens als bona fide - Arten erkannt wurden, wurden 14 Arten mit binomialen Namen belegt (Sonneborn 1975): aus Syngen 1 wurde P. primaurelia, Syngen 2 - P. biaurelia, Syngen 3 - P. triaurelia, Syngen 4 - P. tetraurelia usw., bis Syngen 14 - P. quadecaurelia. 1983 wurde eine weitere Art, P. sonneborni, gefunden (Aufderheide et al. 1983). Die sogenannten Syngens von P. bursaria, P. multimicronucleatum and P. caudatum wurden nicht als Arten bezeichnet bzw. mit Binomen belegt, zumal in verschiedenen Fällen Hybrisierungen mit lebensfähigen F2-Nachkommen gezeigt wurden.

Die Bestimmung der verschiedenen Paramecium-Arten des P. aurelia-Komplexes gelingt jetzt zweifelsfrei mit der RAPD-Fingerprint-Analyse (Stoeck & Schmidt 1998).

Drei Paramecium-Arten und ein Art-Komplex sind wichtige Indikatoren bei der biologischen Gewässeranalyse. Die "farblosen" Arten zeigen starke Verschmutzungen an, wenn sie in größeren Mengen vorkommen. Das grüne Paramecium (P. bursaria) indiziert dagegen reines bis leicht verschmutztes Wasser. Paramecien fehlen in zeitweise austrocknenden Gewässern und in terrestrischen Lebensräumen, da sie keine Dauercysten bilden. Die folgenden kurzen ökologischen Charakterisierungen sind dem praktischen Bestimmungsbuch von Berger, Foissner & Kohmann (1997) entnommen. Ausführliche Beschreibungen der Morphologie, Ökologie und Verbreitung dieser Paramecium-Arten sowie vieler anderer in Fließgewässern weit verbreiteter Ciliaten-Arten finden Sie im sogenannten Ciliaten-Atlas (Foissner et al. 1991, 1992, 1994, 1995).

Paramecium bursaria (Ehrenberg, 1831) Focke, 1836: Ganzjährig weit verbreitet im Aufwuchs, Detritus und Plankton krautreicher, eutropher stehender (Tümpel, Uferzone von Seen) und langsam fließender (Altarme, lenitische Bereiche eutropher Bäche und Flüsse) Gewässer; ausgeprägtes Maximum von April bis Juni, hohe Abundanzen werden aber selten erreicht. Typisch für moorige und anmoorige Gewässer. Sitzt meist regungslos mit abgespreizten Wimpern im Detritus oder zwischen Algenfäden. Verträgt geringe Mengen an Fäulnisgiften und erreicht in sauerstoffreichen Gewässern auch während intensiver Abbauprozesse mittlere Abundanzen. Selten im Belebtschlamm und in Tropfkörpern. Oligo- bis meso-euryhalin. Kosmopolitisch.
Paramecium bursaria frißt Bakterien, Diatomeen und andere Algen, Hefen und Stärkekörner. Eine P. bursaria enthält bis zu 1000 symbiotische Algen der Gattung Chlorella. Zoochlorellenfreie Populationen wurden im Freiland bisher nicht beobachtet; bei erhöhter Temperatur (30°C), Nährsalzmangel und guter Fütterung lassen sich jedoch algenfreie Stämme züchten. Bei Nahrungsmangel ernährt sich P. bursaria von den Photosyntheseprodukten (überwiegend Maltose) ihrer Symbionten. Generationszeit unter Laborbedingungen bei 8,5°C etwa 87 h, bei 15°C etwa 35 h und bei 20°C etwa 20 h. Positiv phototaktisch, negativ geotaktisch. Reagiert empfindlich auf größere pH-Schwankungen, niedrigen Sauerstoffgehalt und höhere Schwefelwasserstoffkonzentrationen.
Saprobiologische Einstufung: betamesosaprob bis alphamesosaprob; Saprobienindex = 2,5.

Paramecium aurelia-Komplex: Ganzjährig weit verbreitet und manchmal zahlreich (184 Individuen pro cm2) im Detritus, gelegentlich auch im Pelagial (Freiwasser) stehender Gewässer (Tümpel, Weiher, Seen, Stauseen, Altwässer, Moore). In Fließgewässern seltener als Paramecium caudatum und bei geringer bis mittlerer Belastung meist nur sporadisch und mit niedriger Abundanz. Die Schwesterarten haben ziemlich unterschiedliche ökologische Ansprüche, und sogar die Populationen einer Schwesterart zeigen erhebliche Abweichungen, zum Beispiel in der Toleranz von Schwermetallen. Es gibt mehrere Nachweise aus Belebtschlammanlagen, Tropfkörpern und Klärteichen (bis 75000 Individuen pro ml). Auch im Brackwasser; oligo- bis meso-euryhalin. Verbreitung des Komplexes kosmopolitisch, einzelne Arten endemisch.

Arten des P. aurelia-Komplexes fressen Bakterien und sind auch axenisch kultivierbar. Generationszeit unter Laborbedingungen bei 8,5°C etwa 111 h, bei 15°C etwa 30 h, bei 20°C etwa 17 h und bei 27°C 5-6 h.
Saprobiologische Einstufung: alphamesosaprob bis betamesosaprob; Saprobienindex = 2,9.

Paramecium caudatum Ehrenberg, 1833: Ganzjährig zahlreich (120 Individuen pro cm2 und mehr) in stehenden und fließenden Gewässern mit hohem Gehalt an leicht abbaubauren organischen Substanzen und daher hohen Bakteriendichten. Typisches, mikroaerobes Mitglied der polysaproben Ciliatengesellschaft Colpidietum colpodae. Zahlreich bis massenhaft in Sphaerotilus-, Cyanobakterien-, Beggiatoa- und Leptomitus-Rasen, zwischen faulenden Algen und Makrophyten, in der verschlammten Uferzone stark verunreinigter Fließgewässer, auf der Oberfläche von Faulschlamm und im Pelagial stark verschmutzter stehender und fließender Gewässer. Verbreitet im Belebtschlamm (zahlreich besonder während der Einarbeitungsphase und bei hoher Belastung und/oder permanenter Sauerstoffarmut), in Emscherbrunnen, in Tropf- und Scheibentauchkörpern, in Stabilisierungsteichen, Rieselfeldern und in der Kahmhaut von stehendem, grauschwarzem, stark nach H2S riechendem Abwasser (bis 40000 Individuen pro ml). Sporadisch und mit geringer Abundanz auch in bakterienreichen Mikrohabitaten reinerer Fließ- und eutropher Stehgewässer, in Thermal- und Schwefelquellen und in Brunnen und Trinkwasserfiltern. Läßt man solche Proben einige Tage stehen ("Aufgüsse"), vermehrt es sich bei einsetzender Fäulnis meist sehr stark. Oligo- bis meso-euryhalin. Kosmopolitisch.
Paramecium caudatum frißt überwiegend Bakterien, gelegentlich Algen und Hefe; auch axenisch kultivierbar. Generationszeit bei 25°C etwa 10 h, bei 0°C erfolgt nur alle 19-20 Tage eine Teilung. Paramecium caudatum ist negativ geotaktisch und negativ phototaktisch. Schwimmgeschwindigkeit bei 15°C etwa 0,5 mm/s, bei 30° etwa 1,25 mm/s. Ziemlich unempfindlich gegenüber großen Sauerstoff- und pH-Schwankungen.

Saprobiologische Einstufung: polysaprob bis alphamesosaprob; Saprobienindex = 3,6 (Foissner et al. 1994) bis 3,4 (Berger et al. 1997).

Paramecium putrinum Claparède & Lachmann, 1859: Besonders im Winterhalbjahr weit verbreitet und manchmal massenhaft im Detritus stark bis sehr stark verschmutzter Gewässer aller Art (Tümpel, Teiche, Altwässer, Bäche, Flüsse, Staugewässer). In Fließgewässern - besonders in stark strömenden Bereichen - oft in größerer Dichte als P. caudatum. Paramecium putrinum bevorzugt bakterienreiche, kühle Gewässer mit hoher Sauerstoffzehrung, fehlt aber bei höheren H2S-Konzentrationen. Spärliches Vorkommen auch in der Oligosaprobie, dort wahrscheinlich in bakterienreichen Mikrohabitaten. Typisches Mitglied der polysaproben Ciliatengemeinschaft Colpidietum colpodae und daher charakteristisch für Sphaerotilus-, Beggiatoa- und Leptomitus-Rasen. Zahlreiche Nachweise aus Emscherbrunnen, Belebtschlammanlagen (besonders bei hoher Belastung und/oder permanenter Sauerstoffunterversorgung), Scheibentauchkörpern und Tropfkörpern (vor allem in der oberen, poly- bis alphamesosaproben Zone, bei schlecht arbeitenden Anlagen auch weiter unten). Auch in Ästuaren; oligo- bis meso-euryhalin. Fehlt vermutlich in den Tropen, wo es durch andere Arten (z. B. Paramecium pseudotrichium) vertreten wird.

Paramecium putrinum frißt Bakterien (Schwefelbakterien, Cyanobakterien, Rhodobakterien etc.), kleine Grünalgen, Kieselalgen, Hefe, heterotrophe Flagellaten und Stärkekörner. Im Freiland ingestiert ein Individuum etwa 48000 Bakterien pro Tag. Generationszeit im Freiland zwischen 15 und 336 h, im Mittel bei 103 h. Fakultativ anaerob.

Saprobiologische Einstufung: polysaprob; Saprobienindex = 3,6.

Literatur

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FOISSNER W., BERGER H. & KOHMANN F. (1992): Taxonomische und ökologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems - Band II: Peritrichia, Heterotrichida, Odontostomatida. – Informationsberichte des Bayer. Landesamtes für Wasserwirtschaft, 5/92: 1–502. Details

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FOISSNER W., BERGER H., BLATTERER H. & KOHMANN F. (1995): Taxonomische und ökologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems - Band IV: Gymnostomatea, Loxodes, Suctoria. – Informationsberichte des Bayer. Landesamtes für Wasserwirtschaft, 1/95: 1–540. Details

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